Cover
Titel
Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historischen Methoden


Autor(en)
Lengwiler, Martin
Reihe
UTB 3393
Erschienen
Zürich 2011: Orell Füssli Verlag
Anzahl Seiten
296 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Leopold Neuhold

Das hier anzuzeigende, 2011 erschienene und im Vorwort mit September 2010 datierte Praxisbuch Geschichte ist mittlerweile schon in so manche Pflicht-Lektüre- Liste der historischen Methoden- und Proseminare eingegangen, was auf dessen positive «Rezeption» (vgl. das Glossar zu diesem Stichwort auf S. 276) und praktisch- universitäre «Aneignung» schliessen lässt. Vorliegendes historisches Einführungswerk ist also besonders für die studentische Leserschaft geeignet, die sich einen ersten Überblick in historiografischen Arbeits- und Forschungstechniken vom Archivbesuch bis zur Niederschrift eines historisch-wissenschaftlichen Textes verschaffen möchte. Dabei handelt es sich auch um das Zielpublikum der Reihe der UTB-Taschenbücher. Freilich ist das Praxisbuch Geschichte in seinen synthetischen Aspekten und als Ganzes nicht weniger auch für Fortgeschrittene und Lehrende interessant. Wegen seiner klaren und angenehm einfachen Sprache, aber auch aufgrund des umfassenden, gut strukturierten Ausgriffs, der sich im Dreischritt «Konzeptphase – Recherche und Analyse – Schreiben und Präsentieren» entwickelt, dürfte dieses Opus des Basler Historikers Martin Lengwiler für breite Kreise an Geschichte Interessierten von Gewinn sein – und das über den im Buch selbst angesprochenen Adressatenkreis von Bachelor- Studenten hinaus. Methodenreflexion schadet wohl keinem! Wohltuend ist die durchgängig anzutreffende Selbsthistorisierung (z.B. S. 19: «Dass die Methodenlehre im geschichtswissenschaftlichen Diskurs so lange vernachlässigt wurde, liegt in der Geschichte des Faches begründet»). Ein derartiger Zugriff («Einbettung in die Fachgeschichte«, S. 12) findet sich in den unterschiedlichen Themenbereichen, indem vorrangig gezeigt wird, wie in der aktuellen universitären Geschichtswissenschaft Methoden und Theorien sich an unterschiedlichen Schnittstellen herauskristallisiert haben. An manchen Passagen wirkt freilich die zur Schau gestellte «Supervision » in diversen Entwicklungen ein wenig künstlich bzw. zu angestrengt.

Die Rezension geht assoziativ vor und greift nur wenige Punkte heraus, ohne irgendeinen Anspruch auf Stringenz und Systematik. Dabei möchte sie auch das Bildprogramm des Bandes ein wenig ins Auge fassen und in spezifischer Hinsicht aufgreifen. Schon auf der Titelseite findet sich ein aussagekräftiges Bild, das nicht nur auf die akademische Verortung des Autors hinweist: Die Abbildung der Grossbaustelle der Mittleren Rheinbrücke in Basel von 1903 deutet zudem auf die historische Epoche hin, die der Autor als Forschungsschwerpunkt vorrangig sein eigen nennen kann und vielleicht auch auf den Brückenschlag in der Lehre bzw. zum Leser hin. Auf der S. 34 findet sich das bekannte Bild aus der Vatikanischen Pinacothek, auf dem gezeigt wird, dass Papst Sixtus IV. B. Platina zum Leiter der Vatikanischen Bibliothek ernennt. In diese Facette des Humanismus reiht man sich gerne ein. Seite 42 etwa zeigt ein verwüstetes Stasi- Archiv (wohl nicht «Stadi», wie es im Abbildungsverzeichnis heisst), auf der Seite 139 wird im Kapitel zur «Visual History» mit der Fotografie von Lucille Burroughs die Abbildung eines Mädchens mit Strohhut gezeigt, die in Analogie zu einer Christusdarstellung gedeutet wird; ein Holzschnitt mit einer ikonoklastischen Szenerie im Konfessionsbildungsprozess um 1530 ziert die Seite 144. Warum sich auf der Seite 190 der bürgerlich-biedermeierische Sonntagsspaziergang von Carl Spitzweg findet, wird nicht klar ersichtlich. Insgesamt ist die Bebilderung, in der es überraschend viele für die Religionsgeschichte interessante Bezüge und Anhaltspunkte (Hiob-Zitat beim Titelbild des Hobbes’schen Leviathan, S. 185; «düstere» Strahlenkranzmadonna über den aushandelnden Akteuren des Friedens von Münster 1648, S. 219) gibt, gut gelungen und das ikonografisch Gebotene stellt neben den hervorgehobenen Text-Boxen und Randglossen, die Exemplarisches sowie Wichtiges abheben, ein auflockerndes, aber auch vertiefendes Moment dar. Manchmal hätten unter Umständen die ikonografischen Momente tiefgreifender analysiert und in den Text hinein integriert werden können, auch weil, wie es im Buch selbst heisst, «in einem Bild auf demselben Raum viel mehr Informationen kondensiert und verdichtet werden können als in einem Text» – was aber auf dem für einen UTB-Band begrenzten Raum schwer zu bewältigen gewesen wäre. Aber trotzdem wäre es wohl einen Versuch wert.

Die an das Ende jedes Kapitel gestellten Literaturhinweise sind auch in kurzen Zügen kommentiert, was sehr erfreulich ist. Das Kapitel 10 zur E-History stützt sich sehr stark auf den UTB Band Nr. 3157 von Martin Gasteiner und Peter Haber, weist aber sehr eindrücklich auf die «Geschichtslosigkeit moderner digitaler Quellen » und verwehrt sich gegen die die eigene Zeit überschätzende Benennung der Jetztzeit als «einer digitalen Revolution».

An manchen Stellen hätte ein vertieftes Lektorat oder eine weitere Durchsicht den Band verbessern können – so ist die Fussnotensetzung in den Text-Boxen der Seiten 141, 161, 162, 182, 184 unklar. Auf der S. 113 endet die Seite mit einem Komma, manche Silbentrennungen (wie etwa auf S. 117 wohl richtig «Interview-partner») wären zu emendieren, auf S. 132 sollte es im dritten Absatz «Historiker» statt «Historker » heissen, auf Seite 253 wohl statt «interative» «interaktive».
Diese kleinen Annotationen können den Wert des Werkes nicht schmälern, denn hier liegt eine kompakte und gefällige Einführung vor, die nicht zuletzt auch für den Schreibeprozess, der bekanntlich mühsam sein kann, ermunternde Zeilen aufweist.

Zitierweise:
Leopold Neuhold: Rezension zu: Martin Lengwiler, Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historischen Methoden, Zürich, Orell&Füssli, 2011. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 107, 2013, S. 499-500.

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